Hawaiis Traditionen kennenlernen zu können, ist alleine schon ein Privileg. Das aber auch noch in alten und neuen Porsche Cabrios zu tun, ist unvergesslich. Auch wenn selbst hier in Polynesien nicht alles Gold ist, was glänzt

Gibt es etwas Schöneres? Wir sind auf Hawaii – das ist außer dem 50. Bundesstaat der USA der gesündeste des gesamten Staatenbundes, und hier leben auch noch die glücklichsten Menschen der Vereinigten Staaten. Zudem haben wir zehn Porsche-Cabriolets zur Auswahl, um Natur, Kultur und Traditionen zu erkunden: Als moderne Interpretationen des Porsche-Sportwagengedankens das aktuelle 911 Turbo Cabrio sowie 718 Boxster T, Boxster 718 Spyder, 911 Carrera S Cabrio und Boxster 25 Jahre, als Klassiker ist der Ur-Boxster, ein 911 Typ 964 als Cabrio, das 944 Turbo Cabrio, ein 914/6 mit seinem Targa-Dach und der 356 als Speedster von 1956 dabei. Also ab in die Autos, Dächer auf und genießen…
Moooooooment! So etwas wie oben beschrieben gibt es natürlich nur in Hollywood-Schmonzetten, US-Blockbustern und Vorabend-Pseudokrimis wie Magnum (1980 – 1988), Hawaii Fünf Null (1968 – 1980), Baywatch, Verdammt in alle Ewigkeit, Jurassic Park und mehr. Die allerdings, zugegebenermaßen, alle hier gedreht wurden. Und zum Nichtstun sind wir auch nicht hier: Porsche gibt uns und sich die Möglichkeit, fremde Kulturen kennenzulernen und zu verstehen. Denn die Stuttgarter sind selbst ausgesprochen traditionsbewusst – und müssen das auch sein, damit auch spätere Generationen Freude an den Autos haben und sie vielleicht auch erhalten können. Dafür haben sie 2019 die „Porsche Heritage Experience“ aus der Taufe gehoben: eine alle zwei Jahre stattfindende Reise an Plätze ihrer Hauptmärkte, die besondere, eher unbekannte Traditionen ausüben und pflegen.


Die erste Tour mit Klassikern führte nach China – jetzt also Hawaii. Dazu Alexander Klein, Leiter Fahrzeugsammlung und Heritage Experience: „Weil sich das Porsche-Museum ebenfalls um Traditionsarbeit und Erhalt von Kulturgut kümmert und längst nicht nur Autos, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt, wollen wir Menschen in ihren uns fremden Kulturkreisen treffen und von ihnen lernen, wie sie Arbeit organisieren sowie Wissen und Traditionen von Generation zu Generation weitertragen. Dank der Porsche Heritage Experience können wir solche Kulturen wortwörtlich ‚erfahren‘ und verstehen. Denn Lernen kann man immer von allen und allem.“
Genau. Und bevor wir die polynesische Sonne unsere Vehikel erwärmen lassen können, lernen wir: Hawaii ist nicht gleich Sonne, Wärme und Eierschaukeln. Gleich an unserem ersten Tag verhagelt uns ein Blizzard sowohl Laune als auch Pläne: Querfliegende Regenmassen scheinen zu versuchen, alle der berühmten Lavaflüsse auf Hawaii zu ertränken – uns wird glaubhaft versichert, dass an diesem einen Tag mehr Wasser vom Himmel stürzt als sonst im gesamten Jahr. Auf dem 4205 Meter hohen Vulkan Mauno Kea schneit’s sogar. Die Sicht ist gleich Null, und somit fallen diverse Programmpunkte ins Wasser – wie zum Beispiel der Besuch von Aquakulturen, die sich höchstens im Kofferraum des 914/6 und im gesamten Innenraum des nur von Notverdeck und Steckscheiben geschützten 350.000-Euro-Speedsters ausbreiten. Gut, dass die Museumsjungs so fit sind, um alle Klassiker trotzdem mobil zu halten.
Wir lernen auch, dass auf Hawaii nicht alles so glänzt wie in der Edelbroschüre vom Reisebüro nebenan. Hawaii mit seinen acht Haupt- und 128 Nebeninseln, 1,5 Millionen Einwohner, zehn Millionen Touristen im Jahr, 16.625 Quadratkilometer groß und 2451 Kilometer lang, hat eine Menge Probleme: Zum Beispiel die höchste Obdachlosenquote pro Kopf aller US-Bundesstaaten. Und immense Hauspreise – weswegen die Ureinwohner, die sich selber „Kanaka Maoli“ nennen, unken, dass inzwischen eine elfte Hauptinsel existiert. Die heißt Las Vegas, weil hier rund 200.000 Hawaiianer in der Hotelbranche arbeiten müssen, weil sie sich ein Leben zuhause nicht mehr leisten können.
Dabei hat Hawai’i, wie es korrekt geschrieben wird, auch so viel Wunderbares zu bieten. Zum Beispiel Klima ohne Ende – auf der gesamten Inselkette existieren 13 Mikroklimazonen, allein auf dem namensgebenden „The Big Island“ sind es sieben. Das Land wächst ständig durch Lavaströme, die sich irgendwo durchs Land bewegen. Hawaii ist der einzige Ort in den USA, in dem Kaffee angebaut wird. Das gilt übrigens auch für Bananen und Ananas (wobei jeder Landesbewohner betont, dass eine „Pizza Hawaii“ und ein Toast „Hawaii“ so gar nichts mit seiner Heimat zu tun haben. Die Ananas war hier nie heimisch, sie wurde um 1850 ungefragt eingeschleppt). Hawaii beherbergt übrigens auch den einzigen Königspalast der USA – dank König Kamehameha I., der 1810 die hawaiianischen Inseln nach Konflikten zu einem Königreich einte.


Endlich hat sich der Blizzard verabschiedet, wir können doch noch in die Autos. Wobei: Die modernen Porsche sind ja ganz nett, aber echtes Exoten-Feeling kommt nur in den Klassikern auf. Einen inzwischen wieder abgetrockneten 356 Speedster zwischen jungen und alten Lavafeldern durch die letztlich auftauchende Abendsonne Hawaiis zu pilotieren, gehört zweifellos zu den Highlights eines Hawaiireisenden. Abseits der großen Verbindungshighways ist wenig los – die abendliche Fahrt über die „Saddle Road“ zum Beispiel wird niemand mehr vergessen: Das Asphaltband schlängelt sich nicht nur durch die Landschaft, sondern wird auch wie eine Holzachterbahn über Hügel geführt, so dass man erst im letzten Moment sieht, dass man nicht auf der anderen Seite einfach herunterfällt. Die 60 PS müssen sich bergauf tatsächlich ein bisschen mühen, bergab hofft man auf zuverlässige Bremsen.
Der Boxster der ersten Generation fährt sich fast noch zu modern, um ihn als alt zu empfinden. Aber der 944 Turbo, der erst bei 4000 Touren kommt, weil er sein Turboloch noch ernst nimmt, begeistert. Das gilt auch für den 914/6, der einen geilen Sound hat, aber sicher nicht perfekt ist. Die Pedale sind nach rechts versetzt, so dass man immer ein bisschen schief im Auto sitzt, und die Schaltung ist übungspflichtig durch die vielen Umlenkungen der Stangen, bis das Getriebe bedient wird. Aber letztlich ist es eine Frage der Gewöhnung – was auch für die Einstellung des Standgashebels ist.
Ein besonderer Genuss bei den Klappaugenautos 914/6 und 944 Turbo bei eingeschaltetem Licht sind ihre wunderbaren Karosserielandschaften, die sich vor den Augen der Passagiere präsentieren. Hört der Blick bei modernen Autos normalerweise aufgrund aerodynamischer Karosserieformen am unteren Scheibenrand auf, schaut man hier fast bis zur Stoßstange. Na, und dann ist da noch der ganz spezielle 964 – für die einen ein Traum in Lila, für die anderen ein blindmachender Alptraum. Aber fünf Rundinstrumente, wie man es sich vorstellt, das Dach funktioniert elektrisch, und es röhrt hinten, wie man es erwartet. Hawailula.


Die Wagen fallen hier sofort auf zwischen den vielen Allrad-SUV, die das Straßenbild bestimmen. Denn viele der Straßen sind tektonisch angegriffen, manche Beläge einfach nur alt. Und natürlich sind Sportwagen die Ausnahme: Wie überall in den USA ist Speeding verpönt und wird von Cops, die auch hier gerne in Seitenstraßen oder Parklücken lauern, schnell und nachhaltig sanktioniert. Mehr als 60 Meilen pro Stunde ist nicht erlaubt. Porsche ist hier trotzdem nicht ganz unbekannt: Tatsächlich erblickt man hier und dort einen Cayenne oder einen Panamera. In der Hauptstadt Honolulu gibt es sogar einen Porsche-Händler, und selbst der Porsche-Club of America betreibt hier eine Dependence.
Doch die Kanaka Maoli treiben hauptsächlich andere Werte als Autos um. Die Kultur basiert auf dem Leben des Landes – sie feiern die Erde, leben in Harmonie mit ihr und machen sie sich nicht untertan. Erde ist Familie. Deswegen haben sie auch keine Angst vor Vulkanausbrüchen und Lavaströmen, können alleine mit Hilfe der Sterne navigieren und leben mit den fünf Elementen Feuer, Wind, Erde, Wasser und Spirit. Ihre Grundwerte sind „Aloha“ (Wertschätzung, Liebe, Zuneigung, Geben, Teilen, aber wörtlich „Austausch von Atem“), „Laulima“ (Zusammenarbeit), „Malama“ (Nachhaltigkeit) und „Pono“ (Rechtschaffenheit). Ihnen reichen 24 Buchstaben im Alphabet (A, E, I, O, U, H, K, L, M, N, P, W), und jedes Kind lernt die Tradition des Ausdruckstanzes Hula und wie man traditionelle Blumenkränze aus Teeblättern fertigt, damit jeder Träger so eines „Lei“ an einem für ihn mystischen Ort ablegen kann, zu dem er irgendwann zurückkehren will.
Haben wir auch gemacht. Denn es gibt noch viel mehr zu entdecken. Erst recht ohne Blizzard. Dann kann es eigentlich nicht viel Schöneres geben…