Roadster und Cabrios sind Autos für Genießer – und das schon seit Jahrzehnten. Auch wenn andere Fahrzeuggattungen zulegen, bieten die offenen Fahrzeuge einige Vorteile.
Die Kurven schlängeln sich den Berg hinauf, der Wind verfängt sich im Innenraum. Kitzelt die Nase und verwuschelt die Haare. In Cabrios und Roadstern wird eine Fahrt zum Genuss. Die offenen Zweisitzer besitzen eine lange Tradition und finden heute noch viele Liebhaber. Zu Recht, ist es doch die reinste und purste Form der Fortbewegung. Das wissen vor allem die Leser von CabrioLife.
Dabei entstanden die ersten offenen Autos aus Mangel an technischen Lösungen. Zu Beginn der Automobilgeschichte waren offene Autos günstiger als geschlossene. In erster Linie wurde das Auto zur Personenbeförderung entwickelt, und nicht, um möglichst viel Spaß zu bereiten. Der offene Benz Motorwagen von 1886 erinnert eher an eine Kutsche als an ein Auto. Anfang des 20. Jahrhunderts spannten Hersteller nur dünne Dächer über ihre Fahrzeuge, wie beim Packhard Modell L Tonneau von 1904 oder ab 1908 beim Ford Modell T.
Mit der Mobilisierung der Massen gab es ab den 1950er-Jahren auch Raum für Autos, die Fahrgenuss verkörperten. Corvette C1 von 1953, Ford Thunderbird ab 1955 und Mercedes 190 SL Roadster ab 1954 boten deutlich mehr Fahrspaß als reinen Nutzen – und die Blütezeit der leichten Roadster begann.
Frühe Roadster waren dabei Sportwagen, die fast ausschließlich offen gefahren wurden. Die Piloten waren meist Naturburschen, die auch bei schlechtem Wetter eins mit der Umwelt sein wollten. Dicke Lammfelljacken und Mützen schützten sie nur grob vor Kälte und Regen. Eine dünne Behelfspersennig konnte nur im Stand angebracht werden, damit das Auto bei Regenschauern nicht vollläuft. Nach dem Motto: Was einen nicht umbringt, härtet ab. Britische Hersteller wie Austin-Healey, Triumph, Jaguar, Sunbeam, Lotus, Aston Martin, Morgan oder MG prägten den Begriff Roadster in Europa – trotz des meist schlechten Wetters auf der Insel. Italienische Hersteller wie Alfa Romeo, Fiat oder Ferrari nannten ihre offenen Zweisitzer Spider oder Spyder und brachten mehr Leichtigkeit ins Segment. Ohne Dach lässt sich „La Dolce Vita“ eben noch unbeschwerter genießen.
Dabei ist es unerheblich, ob Cabrio oder Roadster, auch wenn es Unterschiede zwischen den Gattungen gibt: Cabrio leitet sich vom französischen „cabrioler“ ab, was so viel wie „Luftsprünge machen“ bedeutet. Meist ist ein Cabrio ein offenes Fahrzeug mit zwei Türen, vier Sitzen und einem kleinen Kofferraum, als veränderte Form eines anderen Modells. Ein Roadster verfügt über eine eigenständige Karosserie und basiert nicht auf einer veränderten Form eines anderen Modells. Meist bezeichnet man Roadster als offenen, zweisitzigen Straßenwagen mit tiefer Sitzposition fast auf Höhe der Straße (Road). Zu den typischen Designelementen des Roadsters zählen eine lange Motorhaube und weit hinten sitzende Fahrgastzelle sowie ein kurzes Heck.
Der Vollständigkeit halber noch ein wenig weiteres Hintergrundwissen: Speedster nennen sich besonders sportliche Roadster, die noch extremer und puristischer sind als andere offene Fahrzeuge. Porsche verkaufte erstmals 1948 einen Speedster, über die Jahre gab es immer wieder Speedster-Modelle auf Basis des 911er. Hingegen setzt ein Targa-Modell auf einen Sicherheitsbügel und ein mittiges Dachteil, das sich zwischen Windschutzscheibe und B-Säule herausnehmen lässt. 1961 stellt Triumph erstmals für den Roadster Triumph TR4 ein Hardtop vor. Anfang der 1970er-Jahre folgten Dino 246 GTS, Triumph Stag und Fiat X 1/9. Das sogenannte T-Roof oder T-Top gab es unter anderem bei Corvette C3 und Chevrolet Camaro. Der Name Targa lehnt sich an das Rennen Targa-Florio an, ist heute ein eingetragenes Markenzeichen von Porsche. Gleichzeitigt kommt es aus dem Italienischen und bedeutet Schild oder Windschutz.
Ende der 1970er-Jahre ebbte die große Lust am offen Fahren ab. Bis auf wenige Ausnahmen wie dem Alfa Romeo Spider oder Mercedes SL zogen sich die meisten Hersteller aus dem Markt zurück. Erst als Mazda den neuen MX-5 ab 1989 vorstellte, besannen sich auch andere Marken wie BMW, Porsche, Mercedes, Audi oder Nissan auf die offene Art des Reisens. Derzeit genießen über 2,2 Millionen Cabriofahrer in Deutschland ihre Autos vor allem bei Sonne. Tendenz leicht steigend: 2012 waren es nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) noch etwa 1,9 Millionen offene Fahrzeuge.
Hersteller entwickeln die offenen Zweisitzer seit einigen Jahren überwiegend für Besitzer, die besonders gerne Auto fahren. Es gibt aber noch einen anderen Grund: „Cabrios emotionalisieren Automarken. Sie sind ein Art Erbe des Ur-Rennwagens, den man offen fuhr und dabei den Elementen ausgesetzt war“, sagt Paolo Tumminelli, Designprofessor an der TH-Köln. Damit werten einzelne Modelle die ganze Marke auf. Es gibt wenig Marken, die der Versuchung widerstehen können, ein offenes Auto zu bauen.
Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management an der Fachhochschule Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach bei Köln sieht einen ähnlichen Grund: „Mit einem Cabrio kann man ein bestimmtes Lebensgefühl wie Offenheit und Spaß transportieren, das zahlt sich positiv auf eine Marke aus“, sagt er. Mercedes konnte in den vergangenen Jahren unter anderem dadurch sein Image vom eher konservativen Hersteller zu einem dynamischeren wandeln. „Dadurch haben sich Marke und auch Fahrzeugkäufer verjüngt“, sagt Professor Bratzel. Allerdings müssen Hersteller in dem kleinen Segment der offenen Autos gut kalkulieren, ob es genügend Kunden gibt und ihre Fahrzeuge genau positionieren. Ganz gleich, ob Roadster oder Cabrio: Offen Autos gelten als exklusiv, sportlich, schick und teuer. Sie sind nicht nur reine Verkehrsmittel, bei denen es um Funktionalität geht.
Audi und VW bieten derzeit jeweils ein offenes Modell an, Porsche zwei, BMW und Mercedes jeweils drei. Trotz SUV-Boom hält Mercedes fest an seinen offenen Autos, demnächst folgt mit der nächsten Generation des SL das vierte offene Modell der Schwaben. Nach 190 SL, 300 SL und der „Pagode“ (W113) folgte 1971 der R107. Insgesamt 18 Jahre lang bleibt der R107 der Traumwagen mit dem Stern, dann folgen 1989 der R129, R230 und R231. Mit dem neuen SL, der Ende des Jahres auf den Markt kommt, will Mercedes-AMG wieder eine Ikone auf die Räder stellen.
Einen Trend zu mehr offenen Fahrzeugen sieht Professor Bratzel allerdings nicht. Sie sind ein Gegenentwurf zu SUV – optisch und soziologisch. Zum Teil hänge das mit gesellschaftlichen Trends zusammen. „In unsicheren Zeiten greifen Autobesitzer lieber zu geschlossen, kokonartigen Fahrzeugen zurück, die sie vor der Außenwelt abschotten und gefühlt mehr Sicherheit bieten als ein offenes Cabrio“ sagt Stefan Bratzel.
Was die wenigsten Autofahrer wissen: Cabrios gelten heute als die sichersten Autos. In ihnen wird seltener telefoniert oder mit dem Handy gespielt, so dass sich die Fahrer mehr auf den Verkehr konzentrieren und in weniger Unfälle verwickelt sind. Durch die Nichteinkapselung werden die Fahrer zudem freundlicher zu anderen Verkehrsteilnehmern. Zumindest solange die Autos mit geöffnetem Dach unterwegs sind.
Schlussfolgerung: Wenn wir gezwungen würden, offen zu fahren, wäre der Verkehr offener, freundlicher und auch sicherer. Nicht nur auf kurvigen Bergstraßen, bei dem der Wind durchs Auto zischt.
Text: Fabian Hoberg Fotos: Hersteller