Fotos: Oliver Luxenburger, Lamborghini

666 PS leistet der Urus S, der als Einstiegsmodell in die Lambo-Welt gilt. Alltagstauglich mag er durchaus sein. Er ist gutmütig zu bewegen wie ein Audi Q8, auf dessen Plattform er basiert. Trotzdem ist er meilenweit entfernt von einem Brot-Und-Butter-Auto. GURUCAR findet: Dafür ist er schlichtweg zu geil.

Immer wieder haben Lavamassen die Seilbahn auf den Ätna zerstört. Und nicht nur diese. Am 17. Juli 2001 um 7.00 Uhr Früh öffnet sich am Fuß des Südost-Kraters in 2.950 Metern Höhe eine Eruptionsspalte. Wenig später bilden sich weitere Krater, die Lavafontänen ausstoßen. Durch Besprühen des Lavastroms mit Wasser und den Bau eines Erdwalles gelingt es zunächst, ein bedrohtes Restaurant und den Souvenirladen an der Station Ätna-Süd zu retten. Am 24. Juli eskaliert die Lage allerdings. Der Berg explodiert, Lavasäulen schießen mit tosendem Donnern hunderte Meter in die Höhe. Eine glühende Walze überrollt die Masten der Seilbahn, verschlingt eine Straße. Am Abend des 30. Juli geht die Bergstation in Flammen auf. Eine Lavazunge hatte die Mauern durchbrochen. Der Ätna ist mit rund 3.357 Metern über dem Meeresspiegel der höchste aktive Vulkan Europas. Kleinere Ausbrüche werden alle paar Monate registriert, heftigere alle paar Jahre. „Wir sind beruhigt, wenn sich am Berg etwas tut. Besorgt sind wir Sizilianer nur, wenn er länger still hält.“ Das, runzelt der einheimische Shuttlefahrer sorgenvoll die Stirn, könnte auf einen größeren Ausbruch hindeuten.

Wilder Stier in Taormina

Auch an diesem Frühlingsmorgen ist am Fuße des Ätna ein leises Grollen zu hören. Diesmal ist es nicht von vulkanischer, sondern von mechanischer Natur. Sechs Lamborghini Urus S SUVs schlängeln sich hintereinander die Serpentinen empor. Die bunten Autos haben keine surrenden Elektromotoren, sondern kernig tönende V8-Maschinen. In einem sitze ich, Oliver Luxenburger, der GURUCAR Autotester. Über uns zischt eine Drohne vorbei, die unseren spaktakulären Aufstieg durch die pechschwarzen Lavafelder im Bild festhält. Wir sind eine kleine Gruppe internationaler Journalisten, die auf Einladung von Automobili Lamborghini an der „Esperienza Terra“ teilnehmen dürfen. Eine mehrtägige Abenteuertour auf Sizilien, zusammengestellt exklusiv für Lamborghinisti, um das Modell Urus S mit all seinen Facetten erleben und er-fahren zu können. Die Stadt Taormina wurde dabei nicht zufällig als Startpunkt ausgewählt. Laut Mythologie wurde sie von Bucentaur gegründet, einem Wesen halb Stier, halb Frau. Auch das Lamborghini Logo ziert bekanntlich ein Stier, resultierend aus dem Faible des Markengründers Ferruccio für Kampfstiere. So sind unter anderem die Modelle Miura, Murciélago, Diablo, Aventador und Huracán nach legendären Stieren benannt. Der Urus wurde nach dem imposanten, wenn auch leider ausgestorbenen Auerochsen benannt.

Behende im Gelände

Der Urus ist das ultimative S-SUV, betont Lamborghini PR-Chef Tim Bravo, der unsere Testfahrten auf Sizilien persönlich begleitet. So, wie zuvor kein anderer Supercar-Hersteller, wagte man den Sprung vom Asphalt ins Gelände. Das „S“ steht dabei für sportlich. In der Ausführung „Performante“ ist er besonders giftig. In 3,2 Sekunden katapultiert der Vierliter-V8-Biturbo den Donnerkeil auf Tempo hundert. Auch beim „zahmeren“ Urus S ist erst bei 305 km/h Sense, 850 Nm Drehmoment sprechen eine deutliche Sprache. Dass er auch im Gelände gut funktioniert, erleben Tim und ich, als wir uns auf Foto-Locationsuche in den vulkanischen Weinbergen verfransen. Immer enger und schroffer werden plötzlich die Wege, im ratlosen Navi sind sie gar nicht mehr kartografiert. Dank Luftfederung und Fahrmodus „Terra“, der am airbus-ähnlichen Wahlschalter eingelegt wird, meistert das 2,2 Tonnen schwere SUV die Lava-Steinwüste mit Bravour. Vor lauter Freude, der Steinwüste entronnen zu sein, drehe ich übermütig ein paar Drift-Pirhouetten im schwarzen Geröll. „Bravo, forza Lamborghini!“ jubelt mir eine Gruppe von Einheimischen zu, als ich das Gaspedal durchtrete, dass es Steine hagelt wie bei einer Ätna-Eruption. In Deutschland würden es wohl wutgeballte Fäuste sein, mit Rufen wie „langsam, du irrer Raser!“ und „dich Trottel zeig ich an!“ Italien ist eben ein Land der Autoliebhaber. Der Urus und ich, wir fühlen uns hier wohl.

Auf Greta Garbos Spuren

Die Marke Lamborghini bedeutet nicht nur Sportlichkeit. Sie verkörpert auch die pure Freude am Leben und an Luxus. Es ist ein Eintauchen in die Welt des Genusses, betont Liliya Dovbenchuk, die sich am Lamborghini-Stammsitz in Sant’Agata Bolognese um das Thema internationale PR und Lifestyle kümmert. Da gehört der Duft des Leders, der einem entgegenströmt, wenn man die Tür eines Urus öffnet, ebenso dazu wie der sorgsame Umgang mit den Kunden. Wer eine Viertelmillion für ein Auto ausgibt, verdient besondere Zuwendung. Und so wird den Lambo-Ownern bei der „Esperienza Terra“ neben dem autofahrerischen Erlebnis auch ein aufregender Ausflug in die Küche Siziliens geboten. In der „Casa Cuseni“ wird das Dinner zwischen Kunstwerken von Picasso und Faulkner serviert. Von der Terrasse blickten schon berühmte Gäste wie der Philosoph Bertrand Russell, Schriftsteller Roald Dahl und Greta Garbo auf den Golf von Naxos. Einzig die Möglichkeit, die Insel in einem Lamborghini Urus zu erkunden, blieb ihnen damals verwehrt.

Datencheck Lamborghini Urus S


Motor: V8 Biturbo 
Hubraum: 3.996 ccm 
Leistung: 666 PS 
Drehmoment: 850 Nm 
Beschleunigung: 0 – 100 km/h in 3,5 Sek. 
Höchstgeschwindigkeit: 305 km/h 
Preis: ab 232.690 Euro