Fotos: Oliver Luxenburger

Ford wird zunehmend elektrisch. Neben dem Explorer hat die amerikanische Traditionsmarke den Mustang Mach-E GT im Programm, ein 487 PS starkes SUV. GURUCAR hat den schnittigen Blaumann ausgiebig getestet.

Als ich zum ersten Mal hörte, dass Ford den Namen Mustang für ein Elektro-SUV verwenden will, wollte ich spontan vom Glauben abfallen. Vom Glauben an die Ursprünglichkeit des Pony-Kults, der mit dem legendären Ur-Mustang von 1964 begann. Ein paar Gedankengänge weiter fielen mir dann aber schon die formalen Entgleisungen der beiden Modelle III und IV ein. In den 80er und 90ern hatte man es halt nicht so mit der Schönheit, weder in der Mode noch bei Autokarosserien. Der Name Mustang war also nicht immer über Kritik erhaben. Dann aber, mit dem Mustang V ab dem Jahr 2004, kam die sportliche Eleganz des ungestümen Wildpferdes zurück. Das aktuelle Modell VII erinnert emotional wieder stark an den Spirit einstiger Tage und erfreut die Fans mit Kraft und Schönheit. Funktioniert das nun auch beim großen Familien-Mustang? Ja! Wir finden, das Auto ist wirklich toll gelungen. Wie sehr, das wird mir bewusst, als ich den knallblauen Testwagen entgegennehme.

Exzellentes Design

Brutal oder gar brachial kommt der Mustang Mach-E nicht daher. Er wirkt eher dezent, ist auch gar nicht so groß, in der Dimension etwa wie ein – mittlerweile ja auch elektrifizierter – Porsche Macan. Auf den ersten Blick denkt man jedenfalls nicht an ein Muscle-Car. Wenn man die Linienführung jedoch genauer betrachtet, ist den Ford-Designern ein großer Wurf gelungen. Besonders das Heck hat es mir angetan. Ein Spiel mit Rundungen, Kanten, Lichtreflexen. Außen sitzen die zackig-roten Heckleuchten, als hätte dem Auto ein Haifisch mit scharfen Zacken-Zähnen zwei Stücke aus dem Hintern gebissen. Dazu das schwarze Lack-Dach und schnelle Sportfelgen, ein mattgrauer Polycarbonat-Grill, die Bugschürze mit Spoiler-Lippe und Lufteinlässen. Glanzgedrehte 20-Zoll-Räder mit rot lackierten Brembo-Bremssätteln und GT-Schriftzüge an Heck- und Einstiegsleisten runden das Bild ab. Nicht aufdringlich, sondern wohldosiert sportlich und schön. Die Türen sind allerdings besonders: sie öffnen mittels Sensor-Druckknöpfen. Auf äußere Türgriffe hat man hinten völlig verzichtet. Fancy, doch in der Praxis nicht so funktional. Weil man die Tür nicht richtig zu fassen kriegt, tappt man unweigerlich auf die schwarze Hochglanzfläche des Rahmens. Resultat: Fingerabdrücke. Wenigstens die Vordertüren haben einen kleinen Griff. Weiterer Gag: Der Mach-E hat eine integrierte Touch-Bedienleiste in der B-Säule der Fahrerseite – zu sehen sind leuchtende Nummern mit der Aufschrift 1-2, 3-4, 5-6, 7-8 und 9-0. US-Car Liebhaber kennen die Spielerei von anderen Modellen, z.B. dem Ford F150 Pickup. Vorteil: Man kann die Tür ganz ohne Schlüssel mittels Zahlenkombination oder per Smartphone-App öffnen und schließen. Wenn du also zum Surfen an den Stand gehst, lässt du den Autoschlüssel einfach im Wagen. Verlieren im Sand oder den Wellen – is‘ nich.

Rennpferd im Pony-Pelz

Der Mach-E GT sieht nicht aus wie ein Supersportwagen, obwohl er laut technischer Daten einer ist: Mit maximalen 860 Nm ist er der drehmomentstärkste Serien-Ford, den es je gab – den Boliden Ford GT eingeschlossen. Beim Antritt aufs Pedal ziehen die beiden ölgekühlten Permanentmagnet-Synchronmotoren an Vorder- und Hinterachse derart an, dass man glaubt, bei einem Windenstart im Segelflieger zu sitzen. In sagenhaften 3,7 Sekunden schießt der 2,3-Tonner auf Tempo 100. Das gabs früher nur bei Porsche, Lambo & Co ab 200.000 Tacken aufwärts. Für knapp 78.000 Euro spielt der Mach-E GT in Sachen Performance hier klar in der Oberliga mit. Das adaptive Sportfahrwerk mit magnetisch gesteuerten Dämpfern kommt mit der Leistung bestens zurecht. Das agile SUV bietet für jede Situation passende Fahrmodi: Zahm, Aktiv, Sportlich und Sport Plus. Letztere Einstellung schaltet Fahrassistenten wie ESP und Traktionskontrolle aus und simuliert mit künstlichem Sound das Herunterschalten. Ok, Schaltgeräusche muten bei einem reinen Elektroauto schon etwas sonderbar an. Auch die bei 200 km/h abgeregelte Höchstgeschwindigkeit stimmt einen erstmal ratlos – warum bitte soll der Kraftprotz nicht schneller fahren? In der Realität sind schnelle Vollgasfahrten mit einem E-Auto tatsächlich nicht immer zu empfehlen. Die Batterie fällt beim Mach-E mit 98,7 kWh zwar recht üppig aus. Die Reichweite von 500 Kilometern kann bei flotter Fahrt aber schnell empfindlich schrumpfen. Mit im Idealfall maximal 150 kW am DC-Schnelllader braucht ein leer gefahrener GT dann rund 45 Minuten, um wieder auf zu 80 Prozent zu kommen.

Hingucker mit Potenzial

Die Akkus im Boden bringen durch den tiefen Schwerpunkt hervorragende Stabilitätsverhältnisse. Ein Wanken in Kurven ist praktisch nicht vorhanden. Dafür wirken auf die Insassen mitunter heftige Beschleunigungskräfte. Die Ford Performance Sportsitze bieten guten Seitenhalt, dazu passend gibt’s ein Sportlenkrad mit Wildlederbezug. Ansonsten sieht der Mustang Mach-E GT innen ähnlich aus wie die günstigeren Allrad-Schwestermodelle. Für eine derart sportliche Granate ist mir persönlich der Innenraum etwas zu nüchtern gestaltet. Ein bisschen mehr sportliche Highclass mit edlem Materialmix stünde dem Kraftpaket mit dem tollen Außendesign gut zu Gesicht – nur Mut zu etwas mehr Extravaganz! Bei unseren Testfahrten in den österreichischen Alpen erwies sich das SUV ansonsten als alltagstauglich und praktisch. Wer kein allzu opulentes Platzangebot erwartet (dafür besser: der Explorer), bekommt mit dem Ford Mustang Mach-E GT einen Hingucker mit bemerkenswerten Fahrleistungen.

Datencheck

Ford Mustang Mach-E GT

Motor: 2 Elektromotoren / Allrad
Reichweite: bis 500 km (WLTP)
Leistung: 487 PS
Max. Drehmoment: 860 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung: 0 auf 100 km/h: 3,7 Sek.
Basispreis: 77.300 Euro